6.3.1. Definition Definition der Platinsensitivität
Mehrere Faktoren sollten für die Beurteilung einer Platinsensitivität herangezogen werden. Das platinfreie Intervall allein sollte nicht mehr Grundlage für die Feststellung einer Platinsensitivität sein. Folgende Faktoren sollten in die Entscheidungsfindung Eingang finden:
- Dauer des platinfreien Intervalls
- Dauer des nicht-platinfreien Intervalls
- Dauer des therapiefreien Intervalls von zielgerichteten Therapien
- Operative Vortherapie(n): Art, Ausmaß, postoperativer Tumorrest
- Medikamentöse Vortherapie(n): Art, Anzahl, Dauer und Abstand zwischen den bisherigen medikamentösen Therapien.
6.3.2. Informationen für die Therapieentscheidung
- Operative Vortherapie(n): Art, Ausmaß, postoperativer Tumorrest.
- Medikamentöse Vortherapie(n): Art, Anzahl, Dauer und Abstand zwischen den bisherigen medikamentösen Therapien.
- Dauer des therapiefreien Intervalls
- Symptomatik: Nausea, Emesis, Obstipation, Diarrhö, Pleuraerguss, Aszites, Dyspnoe, Thrombose etc.
- Nebenwirkungen (während der bisherigen Therapien, derzeit bestehende Nebenwirkungen).
- Ziel der Therapie: Lebensverlängerung, Verlängerung des rezidivfreien Intervalls, Lebensqualität, palliative Situation, Symptomkontrolle.
- Histologischer Typ
- BRCA-Mutationsstatus (sowohl in der Keimbahn als auch im Tumorgewebe).
- Komorbiditäten/Allergien
- Allgemeinzustand der Patientin (ECOG-Performance-Status oder Karnofsky-Index)
- Möglichkeiten zur Teilnahme an klinischer Studie
6.3.3. Chirurgische Rezidivtherapie
- Prospektiv validierter prädiktiver Score der AGO Deutschland zur Identifikation von Patientinnen, die sehr wahrscheinlich erfolgreich komplett tumorfrei operiert werden können (Harter et al., 2011 – DESKTOP-II-Studie). Validierungsstudien zeigten, dass dieser Score zwar sehr präzise Patientinnen identifizieren dürfte, die erfolgreich komplett tumorfrei operiert werden können (hoher positiver Vorhersagewert: > 80 %), jedoch eine beträchtliche Falsch-negativ-Rate aufweist (in Validierungsstudien bis zu 70 %) (van de Laar et al., 2015). Eine prospektiv randomisiert-kontrollierte Studie zur operativen Rezidivtherapie (DESKTOP-III-Studie) zeigte eine signifikante Verbesserung des PFS nach erfolgreicher (R0-Resektion) sekundärer Zytoreduktion (du Bois et al., 2017). Diese PFS-Verlängerung ist bei einem Studiendesign Chirurgie vs. keine Chirurgie nicht unerwartet.
Eine weitere prospektiv randomisiert-kontrollierte Studie zur operativen Rezidivtherapie (GOG 213) zeigte keinen Vorteil nach erfolgreicher sekundärer Zytoreduktion im Hinblick auf das OS (
Die OS-Daten der DESKTOP-III-Studie sind noch ausständig. Daher ist eine abschließende Beurteilung über den Wert der sekundären Zytoreduktion dzt. noch nicht möglich.
Eine weitere prospektiv randomisiert-kontrollierte Studie zur operativen Rezidivtherapie (GOG 213) zeigte keinen Vorteil nach erfolgreicher sekundärer Zytoreduktion im Hinblick auf das OS (Coleman et al., 2018). - Die OS-Daten der DESKTOP-III-Studie sind noch ausständig. Daher ist eine abschließende Beurteilung über den Wert der sekundären Zytoreduktion dzt. noch nicht möglich.
- Bedingungen für eine Rezidiv-OP:
- guter AZ (ECOG 0–1)
- makroskopische Komplettresektion bei der Primär-OP
- kein Hinweis auf Peritonealkarzinose (z. B. Aszites < 500 ml!)
- komplette Tumorresektion erscheint möglich
- platinsensibles Rezidiv
- Wunsch der Patientin (nach Aufklärung über Therapieoptionen und insbesondere der Tatsache, dass es keine Level-1-Evidenz für einen Überlebensvorteil nach Rezidivoperation gibt)
- Ausnahmen: Palliativoperation bei Ileus o. a. Symptomen nach Versagen der medikamentösen Therapieoptionen.
- Insgesamt kann bei entsprechender Patientinnenselektion die sekundäre Zytoreduktion (R0-Resektion) beim platinsensitiven Rezidiv möglicherweise sinnvoll sein, wobei nur R0-resezierte Patientinnen von einer solchen OP profitieren (PFS).
6.3.4. Medikamentöse Rezidivtherapie
- Therapie beim Platin-sensiblen Rezidiv: Überprüfung der „Informationen für Therapieentscheidung“.
- Therapie beim Platin-sensitiven Rezidiv: insbesondere Überprüfung, ob BRCA-Mutationsstatus bekannt (wenn nicht, Aufklärung über Möglichkeit der genetischen Beratung und beschleunigte Keimbahntestung, Tumortestung aus archiviertem Material oder Rezidivbiopsie).
- Bei bestehender BRCA-Mutation (somatisch und/oder Keimbahn):
- bei bereits erfolgter BEV-Therapie in der Adjuvanz (nicht BEV-naiv) platinhaltige Chemotherapie; bei zumindest partiellem Ansprechen Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitor bis zur Tumorprogression; nach Progression Therapie je nach Platinsensitivität oder -resistenz
- bei BEV-naiven Patientinnen platinhaltige Chemotherapie; bei zumindest partiellem Ansprechen Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitor bis zur Tumorprogression. Bei BRCAmut-Patientinnen ist der größte Benefit in dieser Situation von einem PARP-Inhibitor zu erwarten. Wichtig: Dadurch geht die Möglichkeit zur Zulassungs-konformen BEV-Therapie bei platinsensitivem Rezidiv verloren. Bei Tumorprogression und Platinsensitivität platinhaltige Chemotherapie +/– BEV (außerhalb der Zulassung). Bei Platinresistenz Monochemotherapie + BEV (zulassungskonform).
- bei Patientinnen mit platinsensitivem Rezidiv oder Progress und „high-grade“ epithelialer Histologie, Vortherapie mit zwei oder mehr platinbasierten Chemotherapielinien, die keine weitere platinhaltige Chemotherapie vertragen, kann alternativ der PARP-Inhibitor Rucaparib (Rubraca®) 300 mg 2 x 2 Tbl. tgl. eingesetzt werden (Swisher et al., 2017)
- Bei fehlender BRCA-Mutation:
- bei bereits erfolgter BEV-Therapie in der Adjuvanz (nicht BEV-naiv) platinhaltige Chemotherapie, bei zumindest partiellem Ansprechen Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitor bis zur Tumorprogression; nach Progression Therapie je nach Platinsensitivität oder -resistenz. Eine Reinduktion mit Bevacizumab beim Platin-sensitiven Rezidiv nach vorangegangenem Bevacizumab in der Adjuvanz hat zu einer signifikanten Verlängerung des PFS, nicht aber des OS geführt (Pignata et al., 2017).
- bei BEV-naiven Patientinnen Carboplatin/Gemcitabin kombiniert mit BEV (Aghajanian et al., 2012). Bei Unverträglichkeit (z. B. Hämtotoxizität) Carboplatin/Paclitaxel + BEV (GOG 213) oder Carboplatin/pegyliertes liposomales Doxorubicin (PLD) + BEV bis Tumorprogression. Nach Progression und neuerlicher Platinsensitivität platinhaltige Chemotherapie; bei zumindest partiellem Ansprechen Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitor (Ledermann 2015; Oza et al., 2015; Mirza et al., 2016; Pujade-Lauraine et al., 2017).
In der randomisierten, prospektiven Phase-III-Studie AGO 2.21/ENGOT-ov 18/NCT 01837251 wurde der Effekt von Carboplatin/Gemcitabin + BEV (Standardarm) vs. Carboplatin/PLD + BEV (experimenteller Arm) untersucht. Der primäre Studienendpunkt war das PFS (RECIST 1.1) beurteilt durch den Prüfarzt. Es fand sich eine signifikante Verlängerung im Carboplatin/PLD-Arm (HR = 0,807, p = 0,0128). Besonders bedeutsam ist hier vor allem die signifikant bessere Lebensqualität im Carboplatin/PLD-Arm (QLQ-C30, Global Health Status, p < 0,05) (Pfisterer et al., 2018). - PARP-Inhibitoren bei „high grade“ seröser und „high grade“ endometrioider Histologie
- zur Verfügung stehende PARP-Inhibitoren: Olaparib (Lynparza®) 150 mg 2 x 2 Tbl. tgl., Niraparib (Zejula®) 300 mg 1 x 3 Tbl. tgl.
- bei Kontraindikation gegen Platin (z. B. Allergie) Trabectedin/pegyliertes liposomales Doxorubicin
- Therapie beim platinresistenten/-refraktären Rezidiv:
- Überprüfung der „Informationen für Therapieentscheidung“
- Kombinationstherapie ohne Vorteil gegenüber Monotherapie
- Monotherapie mit z. B. Paclitaxel wöchentlich (bevorzugt), pegyliertem liposomalen Doxorubicin bzw. Topotecan kombiniert mit BEV (Pujade-Lauraine et al., 2014)
- oder Monotherapie mit z. B. pegyliertem liposomalen Doxorubicin bzw. Topotecan bzw. Paclitaxel wöchentlich bzw. Gemcitabine (bei Kontraindikation gegen oder bereits durchgeführter Vortherapie mit Bevacizumab), BEV-Reinduktion z. B. bei Aszites erwägen (außerhalb der Zulassung)
- endokrine Therapien bei HR-positivem Tumor (z. B. Aromatasehemmer)
- oder „best supportive care“ (bei signifikanten Komorbiditäten oder reduziertem AZ, die eine Chemotherapie nicht zulassen bzw. auf Wunsch der Patientin)